Offener Brief an Rundfunkrat Berlin/Brandenburg

Offener Brief an den Rundfunkrat Berlin Brandenburg, der mit seiner Stellungnahme zu Übergriffen auf Medienschaffende Fragen zu verwendeten Begriffen wie "Corona-Leugner" oder "diese Impfgegner" aufwirft... (Bild: rbb)

Fragen zur Stellungnahme des Rundfunkrates zu Übergriffen auf Medienschaffende

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchten wir uns grundsätzlich Ihrer Position anschließen, dass es nicht akzeptabel ist, wenn es zu Übergriffen oder Gewaltausübung in unserer Gesellschaft kommt, weder gegenüber Journalistinnen und Journalisten, Politikerinnen und Politikern oder in welchen Kontexten auch immer. Vielen Dank also, dass Sie sich dafür einsetzen, dass hier ein Bewusstsein gefördert wird, dass diese Art von Aktivitäten thematisiert und aufs Schärfste ablehnt. Wir stehen für gewaltfreie Meinungsfreiheit, der demokratische wie auch der wissenschaftliche Diskurs ist absolut darauf angewiesen, dass sich alle in allen Kontexten an diese Grundregeln unserer rechtsstaatlichen, freiheitlich demokratischen Grundordnung orientieren.
Bei Ihren Ausführungen fallen dennoch ein paar Dinge auf, zu denen wir Sie einladen möchten, eine Klarstellung abzugeben und die aufkommenden Fragen zu beantworten.

  1. Gleich in der Überschrift: was genau ist hier mit „Corona-Leugner“ gemeint? Wo sind aggressive Übergriffe durch diese, wie hier behauptet, dokumentiert? Welche überprüfbaren Quellen liegen
    dieser Behauptung zugrunde?
  2. Es wird hier implizit die Behauptung aufgestellt, die Corona-Epidemie hätte unser Gesundheitssystem an den Rand des Kollapses geführt. Hier wird also eine Aussage gemacht, die den Charakter eines Faktes aufweist, ohne dass hier wissenschaftliche Belege und valide Referenzen dafür vorgelegt werden. Es gibt bereits viele wissenschaftliche Hinweise und Äußerungen, die das Gegenteil vermuten lassen, aber bevor wir uns darüber austauschen, wäre es notwendig, dass Sie Ihre Belege offenlegen. Denn das ist ja eine der Kernaussagen Ihrer Stellungnahme, dass Sie zwar das Recht auf eine eigene Meinung haben, aber nicht auf eigene Fakten. Zum Thema „Fakten“: Sie erwähnen den Begriff mehrfach. Gerade im Hinblick auf die Corona-Thematik ist dieser aber auf wissenschaftliche Grundsätze zu beziehen und wissenschaftlicher Grundsatz ist, dass es keine wissenschaftlichen Fakten gibt (siehe zum Beispiel Falsifizierbarkeit der Wissenschaft nach Popper). Was also sind dann aber Fakten in dem von Ihnen gemeinten Sinne?
  3. Corona-Leugner ziehen vor Schulen, um gegen das Impfen zu agitieren? Hier also wieder, wer oder was sind Corona-Leugner? Wo und wie geschieht das? Und wenn es so wäre, was ist daran aggressiv oder übergriffig und wem gegenüber?
  4. Was sind nun wiederum Verschwörungsanhänger? Wo und wie genau bei welcher Art geschieht das, wie ist das dokumentiert? „Polizisten werden beschimpft und Kommunalpolitiker unter Druck gesetzt“, hier sparen Sie sich gleich ganz zu sagen, wem Sie das vorwerfen. Dass dies passiert, ist wohl seit Jahrzehnten bekannt.
  5. Aber Sie bauen darauf die Schlussfolgerung auf: „Diese Impfgegner“ würden einen Keil in unsere Gesellschaft treiben. Wo kommen jetzt die nun wieder her, wie definieren Sie Impfgegner? Es macht den Eindruck, Sie würden hier Corona-Leugner, Verschwörungsanhänger und Impfgegner gleichsetzen und raunenhaft mit aggressiven Übergriffen in Verbindung bringen, dies riecht sehr nach dem undifferenzierten Vorgehen von Schwurbelei, wie erklären Sie dieses Vorgehen?
  6. Sie verweisen auf einen Bericht der Bundesregierung, in dem von 252 Straftaten gegen Medien die Rede ist im Jahr 2020. Hier ist es notwendig, dass Sie die Quelle benennen, bei der Recherche waren zwar Zeitungartikel auffindbar, aber in denen wurde auch nur die Zahl genannt und nicht beleuchtet, in welchen Kontexten dies geschehen ist und um welche Art von Straftaten es dabei ging. Der Eindruck, der hier erweckt wird, scheint zu sein, dass es die sogenannten Corona-Leugner und Verschwörungsanhänger gewesen sind, die diese Straftaten begangen haben. Um dies überprüfbar zu machen, nennen Sie bitte die Quelle, wo genau also dieser Bericht, auf den Sie sich berufen, einzusehen ist.
  7. Wie genau ist das gemeint, wenn Sie behaupten, „unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit“ würden Berichterstatter drangsaliert und verfolgt, was soll die geneigte Leserin oder der Leser sich darunter vorstellen, was da geschieht?
  8. Die hohe Akzeptanz, von der Sie sprechen, auch hier möchten wir es Ihnen ermöglichen, offen zu legen, worauf sich diese Aussage stützt und weshalb bzw. wie daraus eine Schlussfolgerung von professioneller Wahrnehmung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gezogen werden kann.
  9. Sie erwähnen den Begriff Diskurs. Laut Staatsvertrag ist die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den Raum für vielfältige Berichterstattung auch unterschiedlicher Positionen zu geben, um eine Meinungsbildung zu fördern und zu ermöglichen. Dann schlagen wir vor: zeigen Sie es uns, wo es das im RBB gibt, gerade in dem Kontext Corona. Wir könnten sofort eine ganze Reihe namhafter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorschlagen, denen Sie die Gelegenheit geben in vergleichsweise angemessenem Umfang ihre Expertisen darzustellen und einer breiten Öffentlichkeit der Gebührenzahler auch endlich zukommen zu lassen, sich tatsächlich eine eigene Meinung bilden zu können. Auch sollten dann danach, also nachdem überhaupt eine Gegenmeinung mal ausführlich dargelegt werden konnte (wie es ja eigentlich der Auftrag öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten ist), die maßgeblichen Vertreter der unterschiedlichen Positionen in gut moderierten gemeinsamen Diskussionen den Diskurs in der Gesellschaft, wie Sie ihn hier als „Grundlage unserer öffentlichen Auseinandersetzung“ sehen, erlebbar zu machen und zu zeigen. Wir fordern Sie dazu auf, sich sofort dafür einzusetzen und dies umzusetzen, oder wollen Sie sich etwa einer „Gesprächsverweigerung“ schuldig machen?
  10. Wenn Sie weiterhin zulassen, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Aufklärung darin besteht, gerade in diesen kritischen Fragen rund um die Corona-Thematik, einseitige Berichterstattung auszuführen, dann erweisen Sie Ihrer eigenen Vorstellung davon, dass ein gesellschaftlicher Diskurs ohne Repressionen ausgetragen werden kann, genau den vernichtenden Todesstoß. Wenn Journalisten und Journalistinnen innerhalb des RBB Angst davor haben müssen, seriöse wissenschaftlich valide Positionen aufzuzeigen, die der angesagten Linie des Hauses widerspricht, ist genau das gestorben, für das Sie hier angeblich eintreten.

In Erwartung Ihrer ehrlichen, konstruktiv zieldienlichen Antworten verbleiben wir im Namen der Mitglieder
mit freundlichen Grüßen

gez. Dirk Herzog
Vorsitzender des Landesverbandes Brandenburg

16.03.2022

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